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Ringkanal rettete den Chiemsee

Quelle: Chiemgau-Zeitung / 19.11.2008

Über 10000 Kubikmeter Abwasser aus den zehn Gemeinden am Chiemsee fließen an einem trockenen Tag in die Kläranlage. Allein rund 40 Tonnen Phosphor werden dort in einem ganzen Jahr abgebaut.
Und nach der Reinigung fließt das Wasser in den Inn. So funktioniert die Ringkanalisation am Bayerischen Meer - jenes System, das der Abwasser- und Umweltverband (AZV) Chiemsee Ende der 80er Jahre erstellt hat. «Wenn dieses Werk nicht gelungen wäre, dann wäre der See umgekippt», sagt Lorenz Kollmannsberger, der Ehrenvorsitzende des AZV, im Rückblick.
Sein 30-jähriges Bestehen hat der AZV dieser Tage auf der Chiemseekonferenz in Greimharting (wir berichteten) gefeiert. Und im Mittelpunkt des Rückblicks stand das Vorzeigeprojekt, das ihn in den vergangenen Jahrzehnten weit über die Region hinaus bekannt machte: die Ringkanalisation.
Seinerzeit ein Wegbereiter des großen Werks war Kollmannsberger, der damalige Bürgermeister von Prien und Vorsitzende des - wie er sich ursprünglich nannte - «Abwasserzweckverbandes zur Reinhaltung des Chiemsees». Von Anfang an sei das Projekt unter einem guten Stern gestanden: Alle Beteiligten hätten an einem Strang gezogen, erklärte er das «Geheimnis des Erfolges». Die Bürgermeister hätten eine «verschworene Gemeinschaft» gebildet und das «Netzwerk» von den Behörden über die Sachverständigen bis hin zu den Naturschützern habe «funktioniert». Und genau in diesem Miteinander, so der AZV-Ehrenvorsitzende, liege auch die große Chance, alle künftigen Herausforderungen zu bewältigen.
«Wenn ich zum Baden gegangen bin, sind Algen an mir vorbeigerauscht», erinnerte sich Kollmannsberger an die unverwechselbaren Zeichen, die früher die Verunreinigung des Bayerischen Meeres angezeigt hatten. «Selbst ein Laie hat gesehen, dass es mit dem Chiemsee bergab geht.» Die damalige Perspektive sei gewesen: Wenn nichts geschieht, dann ist der Chiemsee «spätestens in 20 Jahren eine Kloake».
Die Bauern überdüngten ihre Wiesen, Gülle lief in das Bayerische Meer. Immer mehr Stickstoff gab's im Wasser - der Chiemsee drohte, wie Kollamnnsberger sagte, «zu ersticken». Doch so weit kam es nicht. Die Gemeinden ergriffen die Initiative. Und sie nahmen Kurs auf ein großes Projekt: die Sammlung des Abwassers und dessen zentrale Beseitigung.
Für viele Diskussionen sorgte am Anfang vor allem eine Frage: Wo baut der Verband seine Kläranlage? Ein «Riesen-Theater», so Kollmannsberger, habe das Land in Atem gehalten, ehe dann der Minsterrat eine Entscheidung getroffen habe. Er habe schließlich die Weichen gestellt für die heutige Kläranlage in Stiedering und die Ableitung des gereinigten Wassers in den Inn.
Maßgeblichen Anteil an der Entscheidung zugunsten eines Standortes in der Gemeinde Rimsting hatte deren damaliger Bürgermeister Josef Mayer, der Vater des heutigen Rathauschefs. Im Rahmen einer «guten Nachbarschaft» vor allem auch mit der Marktgemeinde Prien sei er «für uns ein Glücksfall gewesen», so Kollmannsberger im Rückblick. Mayer habe «seine Gemeinde» mit all ihren Gefällen und Steigungen so gut gekannt wie seinen eigenen Bauernhof - und habe dann einen Standort empfehlen können, der sich für die zentrale Abwasserbeseitigung besonders eigne.
Fast 90 Kilometer Kanäle hat der Verband dann verlegt - einschließlich 28 Kilometer im See. Bis heute sind dann 260 Kilometer Ortskanäle hinzugekommen. Und die Kläranlage ist in der Lage, Abwasser von bis zu 85000 Einwohnern zu reinigen. Dass das System der Ringkanalisation so gut funktioniert und das Wasser im Chiemsee wieder sauber ist, hat allerdings auch noch einen weiteren Grund: Vor allem auch die Nachbarn aus Tirol haben mitgezogen und seinerzeit vieles unternommen, um der Verunreinigung des Chiemsees über die Tiroler Ache Einhalt zu gebieten. So erinnerte Kollmannsberger nicht zuletzt auch an den Aus- und Neubau von insgesamt sechs Klärwerken jenseits der Grenze.
Als die Chiemseegemeinden den Verband 1978 gründeten, hatten sie sich laut Kollmannsberger ursprünglich vorgenommen, das Projekt in insgesamt 15 Jahren zu verwirklichen. Am Ende sei dann die Kläranlage bereits elf Jahre später - im November 1989 - in Betrieb gegangen. In Anwesenheit des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker sei der Startschuss für die zentrale Abwasserbeseitigung am Chiemsee, ein Projekt von «weltweiter Bedeutung», gefallen.
«Einmalige Erfolgsgeschichte»
Auch mehrere Kommunalpolitiker würdigten die Leistungen des AZV. Dessen Vorsitzender Josef Mayer sagte, dass der Verband mit dem Ringkanal ein «Beispiel gegeben» und eine «einmalige Erfolgsgeschichte» geschrieben habe. Außerdem erinnerte Rimstings Bürgermeister daran, dass sich der AZV mit Umweltprojekten im Jahr 2000 eine neue, erweiterte Ausrichtung gegeben habe.
Georg Klauser, Traunsteins stellvertretender Landrat, betonte: «Ohne den Ringkanal wäre der Tourismus womöglich längst tot.» Auch der Landkreis Traunstein habe einen «entscheidenden Anteil» an der Verwirklichung der zentralen Abwasserbeseitigung gehabt. So sei er etwa eingesprungen und finanziell in Vorleistung gegangen, als sich eine Gemeinde - er meinte Übersee - geweigert habe, sich in das Gemeinschaftswerk einzuklinken.
Auch Josef Huber, Rosenheims stellvertretender Landrat, betonte, dass der AZV «vorbildhafte» Arbeit für den Chiemsee geleistet habe und leiste. 30 Jahre AZV stünden «für 30 Jahre sauberen Chiemsee und 30 Jahre vorbildlichen Umweltschutz in Bayern». Der AZV bringe immer wieder «frischen Wind an den Chiemsee», so Huber weiter. In diesem Sinne seien etwa auch dessen Bemühungen, den Rundweg für Fußgänger und Radfahrer zu verbessern, ein «klassisches Vorzeigeprojekt für einen sanften Tourismus». pü

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