Chiemseekonferenz 2018

Chiemsee schwer in Ordnung

Quelle: Chiemgau-Zeitung / 19.11.2004

Chiemsee (db) - Viele positive Entwicklungen konnten die Referenten bei der zwölften Chiemseekonferenz mit rund 150 Teilnehmern gestern in Übersee bilanzieren. Von der hervorragenden Wasserqualität bis zu Vorzeigeprojekten der gemeindeübergreifenden Agendaarbeit reichte die Bandbreite.

Größten Diskussionsbedarf gab es zum Kormoranproblem. Während Holmer Lex von der Fischereingenossenschaft mehr Unterstützung vom Freistaat bei der Bekämpfung des gefräßigen Vogels einforderte, verwies Umwelt-Staatssekretärin Emilia Müller auf eine neue Verordnung, die das Entleeren der Nester zu bestimmten Jahreszeiten vorsieht.

«Bayerisches Meer - ein See mit Zukunft?» hieß das Motto im Gasthaus «Feldwies». Florian Hoffmann, Vorsitzender des Abwasser- und Umweltverbandes (AZV) Chiemsee, strich gleich einmal das Fragezeichen aus der Überschrift - als Signal für seine Überzeugung, dass sich die Region «in Einklang von Mensch und Natur» weiter gut entwickeln wird.

Die Inbetriebnahme des Ringkanals vor 15 Jahren war die Geburtsstunde der Chiemseekonferenzen, die als eine Plattform zur Bestandsaufnahme und ein Diskussionsforum von Politik, Behörden, Wirtschaft, Touristikern, Naturschützern und anderen Interessenvertretern dient. Das Jahrhundertbauwerk Ringkanal, in den nahezu alle Abwässer aus den zehn Anliegergemeinden fließen, ist auch maßgeblich dafür, dass sich die Wasserqualität «binnen zehn Jahren doppelt verbessert» habe. So sei der Phosphorgehalt im See, wichtigster Indikator, um 60 Prozent gesunken, so Hoffmann.

Die Stechmückenbekämpfung, die Entzerrung der Enge auf dem Uferweg durch Schaffung getrennter Routen für Fußgänger und Radler, wie sie in Breitbrunn, Gstadt und Seebruck bereits in die Tat umgesetzt wurden, und der auf lange Sicht angelegte Kampf für Umgehungsstraßen gehören für den AZV-Chef zu den Eckpfeilern der gemeinsamen Aktivitäten.

Auf die Prioritätenliste für die nahe Zukunft setzte er eine neue Nutzung für das US-Rasthaus in Bernau-Felden, von der möglichst die ganze Region profitiert.

Weiter: Die Renovierung des Inseldoms auf Herrenchiemsee und die Schaffung zusätzlicher Freizeitanlagen und hochklassiger Hotels.

Kaspar Öttl, Vorsitzender der Chiemsee-Tourismus-KG, hatte den Wunsch nach Fünf-Sterne-Häusern auch auf seiner Liste.

Der Aschauer Bürgermeister machte die Bedeutung des Fremdenverkehrs für die Region an einigen Zahlen fest: 450000 Gäste, 2,5 Millionen Übernachtungen und eine Wertschöpfung von 220 Millionen Euro im Jahr. Dass die Aktivitäten noch weiter verstärkt werden müssen, belegt der Umstand, dass die Übernachtungen heuer um 5,5 Prozent unter dem Vorjahresniveau liegen. Hoffnungen setzen die Touristiker vor allem in das Internet-reservierungssystem (IRS), das für die gesamte Region 18 mit sechs Landkreisen, 80 Gemeinden und 8,3 Millionen Übernachtungen jährlich zurzeit in Betrieb genommen wird.

AZV-Agendabeauftragte Marlene Berger-Stöckl listete die Projekte auf, die von drei themenbezogenen Arbeitskreisen (Energie, Verkehr und Wirtschaft) aus den zehn Mitgliedsgemeinden bisher realisiert wurden. Vorzeigeerfolge sind unter anderem die Regionalwährung «Chiemgauer», ein ehrenamtlich betriebener Bürgerbus und der Bau von bisher fünf Bürger- und drei kommunalen Solarkraftwerken. Erfolgreich etabliert hat sich auch die Umweltpädagogik. Seit zwei Jahren werden im Sommerhalbjahr Naturerlebnisausflüge angeboten, unter anderem mit einer alten Hafenbarkasse zum Achendelta.

Im Mündungsgebiet des größten Chiemsee-Zuflusses kann auch der Kormoran beobachtet werden. Etwa 140 Brutpaare und ebenso viele Jungvögel vertilgen pro Jahr 45 Tonnen Fisch, die 18 Berufsfischer am Bayerischen Meer fangen in der gleichen Zeit 80 bis 90 Tonnen. Jedes Jahr geben sie 200000 Euro für Jungfische aus, die in den See gesetzt werden, ein «sehr teures Vogelfutter», wie Holmer Lex, Vorsitzender der Fischereigenossenschaft sarkastisch bemerkte.

Fischer ziehen vor Verwaltungsgericht

Die Fischer wollen 2005 vors Verwaltungsgericht ziehen, um die Reduzierung des Kormoranbestands durch Abschüsse durchzusetzen. 2002 durften sie ihrem gefiederten Konkurrenten schon einmal mit scharfer Munition zu Leibe rücken, im letzten Jahr erteilte das Umweltministerium keine Genehmigung.

Staatssekretärin Emilia Müller begründete dies gestern mit EU-Vorgaben. Der Kormoran sei eine geschützte Art, gab sie zu bedenken. Der Verstoß vor zwei Jahren werde für den Freistaat wahrscheinlich noch ein Strafverfahren nach sich ziehen. Sie setzt auf eine geänderte Verordnung, die künftig eine Entfernung der Nester zu bestimmten Jahreszeiten vorsieht.

Trotz Kormoran fiel das Fazit der Konferenz unterm Strich positiv aus. Treffend fasste es Ernst Schweiger zusammen. Der Bürgermeister aus Kirchdorf (Tirol), einer Anliegergemeinde der Achen, sprach den Verantwortlichen ein dickes Kompliment aus. «Naturschutz und Tourismus sind 100 Prozent in Einklang. Der Chiemsee ist noch schwer in Ordnung.»