Chiemseeringlinie

Radeln und Wandern im Bus

Quelle: Chiemgau-Zeitung / 12.05.2007


Radeln und Wandern im Bus


Chiemsee - Wenn die Sechsjährige nach der Hälfte der gut 60 Kilometer langen Familienradltour um den Chiemsee anfing zu jammern, hatten die Eltern bisher ein Problem: Sie mussten das Kind motivieren, weiter in die Pedale zu treten, bis der der familien-Van am Start- und Zielort in Sicht kam.
Ab 26. Mai heißt das Motto: «Quängel nicht, gleich kommt der Ringbus.»Fast zwei Jahre hat es gedauert, bis aus der Idee des Arbeitskreises Verkehr der Chiemseeagenda des Abwasser- und Umweltverbandes (AZV) Realität wurde: die erste öffentliche Nahverkehrslinie, mit der Radler und Wanderer ohne Umsteigen den ganzen Chiemsee umrunden können. Der Weg dorthin war für die Initiatoren fast so mühevoll, wie es für ein kleines Kind die Umrundung des Bayerisches Meeres im Fahrradsattel werden kann.
Beim ersten Anlauf Ende 2005 fiel das Projekt bei einigen Seegemeinden politisch durch - es ging ums Geld. Der Ansatz, dass jeder Ort den gleichen Anteil zahlt, wurde zugunsten der kleineren Kommunen verworfen. Jetzt zahlt jede Gemeinde 2000 Euro als Sockelbeitrag und einen weiteren Betrag, der von der Einwohnerzahl abhängt: Prien am meisten, Breitbrunn am wenigsten - Gstadt gar nichts. Der dortige Gemeinderat lehnte eine Beteiligung ab. Er fürchtet vor allem, dass der ohnehin seit Jahren stetig steigende Radltourismus einen weiteren Schub erfährt und der Uferweg endgültig zu eng wird. Schon in jüngerer Vergangenheit hatten einzelne Kommunen wie Breitbrunn abschnittweise neue Ausweichrouten für Radler angelegt, weil der Uferweg vor allem im Sommer vor lauter Drahteseln und Spaziergängern schlicht überfüllt war.
Der Geschäftsführer der Chiemsee-Tourismus-KG (CTK), Hermann Roth, glaubt eher an eine gewisse Entlastung, wenn manche Radler aus dem Sattel und in den Bus steigen. Und schließlich ist der Bus auch ein Angebot an Wanderer.
Die CTK als Dach der zehn beteiligten Kommunen (auch Grassau und Aschau zahlen mit, obwohl sie nicht am Chiemsee liegen, ebenso sitzen die beiden Landkreise Rosenheim und Traunstein mit je 3000 Euro jährlich mit im Bus) fungiert als Vertragspartner des Regionalverkehr Oberbayern (RVO), der die neue Linie betreibt. Er setzt zwei fast neue Niederflurbusse mit je 44 Sitzplätzen ein - und zwei nagelneue Anhänger, die jeweils bis zu 20 Fahrräder fassen können.
Am Samstag, 26. Mai, um 8.40 Uhr setzt sich der erste Ringbus am Priener Bahnhof in Bewegung, fünf Minuten später startet das zweite Fahrzeug in Chieming. Knapp eine Stunde brauchen beide, bis sie die jeweils am entgegengesetzten Seeufer liegende Haupthaltestelle erreichen - zeitliche Puffer zum Be- und Entladen von Rädern unter Mithilfe der Fahrer sind im Fahrplan berücksichtigt.
Viermal täglich dreht bis 7. Oktober jeder der beiden Busse eine halbe Runde: zweimal vormittags gegen, zweimal nachmittags mit dem Uhrzeigersinn. Die Kehrtwende der Fahrtrichtung trägt den Anschlussmöglichkeiten per Bus in Grassau Richtung Reit im Winkl und in Bernau Richtung Aschau Rechnung.
Etwa 50000 Euro pro Jahr kalkuliert CTK-Geschäftsführer Hermann Roth für den dreijährigen Probebetrieb. Gäste der beteiligten Orte, die eine Kurkarte vorzeigen können, fahren kostenlos, pro Rad wird ein Euro kassiert, egal wie weit es transportiert wird. Rund 25 Haltestellen fahren die Ringbusse an - auch eine in Gstadt, denn der zweitwichtigste Hafen am See ist als Tor zur Fraueninsel ein bedeutender Anlaufpunkt. «Dem Gast ist es egal, wer was zahlt», kommentiert Hermann Roth den Kompromiss und betont, dass die Linie zuallererst ein Mosaikstein zur Attraktivitätssteigerung der Tourismusregion sein soll.
Damit sie auch angenommen wird, rührt der Verband kräftig die Werbetrommel. 50000 Faltblätter mit dem Fahrplan und weiteren Infos sind schon im Umlauf. Sie warten in Tourist-Infos und Rathäusern darauf, mitgenommen zu werden. Ein Plakat ist noch in Arbeit.
Das gute Dutzend RVO-Fahrer, das wechselnd auf der neuen Linie am Steuer sitzen wird, soll nicht nur die Fahrzeuge unfallfrei ums Bayerische Meer lenken, sondern den Fahrgästen Tipps geben - egal, ob es der Weg zur nächsten Radlwerkstatt oder der Blick auf eine Sehenswürdigkeit ist: Der Verband hat die Busfahrer eigens für die neue Linie geschult.

So sollen die beiden Chiemsee-Ringbusse des RVO aussehen. Die Fahrzeuge, zwei nagelneue Niederflurbusse mit jeweils knapp 50 Sitzplätzen, und die Anhänger mit Platz für je 20 Fahrräder, stehen schon in Rosenheim. Bis zur Eröffnung der Linie am 26. Mai soll das Äußere der echten Busse dem Entwurf entsprechen. foto re

 

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