Natur und Tourismus

Langer Weg ins Delta der Ache

Quelle: Chiemgau-Zeitung, Dirk Breitfuß / 05.10.2010

Chiemsee - Seit 1956 steht das Achendelta am Südufer des Chiemsees unter Naturschutz. 1986 wurden die Vorschriften sogar noch verschärft, die Kernzone eingezäunt. "Betreten verboten" heißt es für alle, bis auf ganz wenige Ausnahmen.
"Ich halte es für gut gemeinten Unfug, Naturfreunde von einem Gebiet auszuschließen, Nutzer darin aber weitermachen zu lassen wie bisher", sagt Biologe Lohmann. Der Sachbuchautor hat den kühnen Plan, die über Jahrzehnte sich selbst überlassene Wildnis für Menschen erlebbar und zugänglich zu machen. "Das setzt freilich genaue Orts- und biologische Fachkenntnisse voraus, wenn man Störungen vermeiden will. Das hierfür in aller Welt erprobte Prinzip heißt: Keine störenden Nutzungen mehr - und den interessierten Naturfreund so verstecken, dass er nah ans scheue Wild herankommt, ohne zu stören", erklärt Lohmann seine Vision.
Erreicht werden könnte dies nach seiner Vorstellung mit einem Steg, dessen Lauffläche rundum mit Holz verkleidet ist und den Blick in die Natur durch Sehschlitze möglich macht.
Vor allem für Kinder und Jugendliche verspricht sich Lohmann "ein neues Naturerleben und die Erfahrung, Gast der Natur zu sein, indem man sich unterordnet, lautlos und unsichtbar macht, um dann mit allen Sinnen Wildnis zu erleben, von Wildnis zu lernen".
Nicht zuletzt hofft er, mit diesem Konzept einen Beitrag zum regionalen Tourismus zu leisten. "Da die besten Zeiten für Naturtourismus Frühjahr und Herbst sind, trägt das zur Kapazitäts-Auslastung bei."
Damit aus dieser Vison Wirklichkeit werden kann, sind freilich zahlreiche und hohe Hürden zu nehmen. Wenn der einzige Berufsfischer der Hirschauer Bucht in den Ruhestand geht, sollte die Bucht zur Laichschutzzone umgewandelt werden, in der nicht mehr gefischt werden darf. Zudem sollten Lohmann zufolge nach Ablauf der Verträge keine staatlichen Fischgewässer in der Kernzone mehr an Sportfischer verpachtet werden.
Der Biologe plädiert zudem für schonendere Jagdmethoden und Reduzierung der Kiesentnahme in der Kernzone des Naturschutzgebiets. Er regt weiterhin an, zu prüfen, ob die technischen Anlagen der Transalpinen Ölleitung (TAL) im Schutzgebiet nicht an den österreichischen Oberlauf der Ache verlegt werden könnten, wo die Pipeline den Fluss quert.
Der Biologe stellt zusätzlich die Öffnung des östlichen Achendamms knapp südlich des Deltas zur Diskussion, was die fortschreitende Verlandung des Sees zumindest verlangsamen könnte.
Letztendlich schlägt Lohmann noch die Bildung eines Überwachungsteams vor, um Störungen im Naturschutzgebiet möglichst zu vermeiden. Solche seien unter anderem die Ursache dafür gewesen, dass in jüngerer Vergangenheit zweimal Brutversuche von Seeadlern gescheitert seien. "Darum soll ein Betreuungsteam geschaffen werden, das die vielfältigen Aufgaben des Schutzes, der Forschung, der Pflege und der Besucherbetreuung wahrnimmt. Stützpunkt dieses Teams soll eine kleine Station in der Nachbarschaft der bestehenden Ausflugsgaststätte "Hirschauer Bucht" sein", schreibt Lohmann in seinem Konzept.
In Gesprächen mit dem Abwasser- und Umweltverband Chiemsee, dem Landesbund für Vogelschutz, den Natur- und Landschaftsführern Inn-Salzach, dem Ökomodell Achental und anderen Organisationen hat Lohmann bereits für seine Idee geworben. Er hofft auf ein breites bürgerschaftliches Engagement, zunächst, um die ehrenamtlichen Vorarbeiten auch finanziell zu unterstützen.
von Dirk Breitfuß

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