Natur und Tourismus

Naturprogramm um den Chiemsee wird erweitert

Quelle: Chiemgau-Zeitung / 01.06.2005

Mit der Eröffnung der geologischen Radtour "Eiszeit und Brotzeit" in Chieming ist das Naturführungsprogramm am Chiemsee um eine heimatkundliche Attraktion reicher geworden. Schon der erste Weitblick vom Venusberg auf die Chiemseelandschaft verdeutlicht, wie die Bewegungen der Eiszeiten bis zur jüngsten vor ca. 10.000 Jahren Landschaft, Landbewirtschaftung und Besiedlung am Chiemsee geprägt haben, mehr noch: Die Chiemseelandschaft ist erdgeschichtlich gesehen so jung, dass sie sich auch heute noch verändert. Diplom-Geologe Rüdiger Haas, der die Tour ausgearbeitet hat und führt, belegt die These durch eine Fülle von Beispielen. Geologisch nicht vorgebildete Exkursionsteilnehmer staunen, wie ein Geologe die Landschaft liest: So lassen die zahlreichen "lästigen" Steine auf dem Venusberg-Acker den Rückschluss zu, dass es sich um einen jungen Boden handelt - die TeilnehmerInnen stehen auf einem Moränenring, d.h. den Gletscherablagerungen aus der letzten Eiszeit. Große Fruchtbarkeit ist von diesem Boden für den Landwirt nicht zu erwarten, im Gegensatz zu den nördlicher gelegenen Böden ab Obing, wo die Grenze zum letzten Eiszeitgletscher verlief und der Boden länger Zeit hatte, eine fruchtbare Humusschicht zu bilden. Nur wenige Erhebungen wie die Ratzinger Höhe ragen als ältere Gebirge aus der jungen Moränenlandschaft hervor. Vom Moränenring aus steigen die Teilnehmer zum Pfeffersee hinab. Der Pfeffersee in Chieming hat keine Verbindung zum nah vorbeifließenden Bach oder zum Chiemsee - er ist durch einen abbrechenden Eisblock beim Gletscherrückzug, einem sogenannten "Toteisblock", entstanden, ebenso wie die zahlreichen Seen der Eggstätt-Hemhofer Seenplatte. Ein markanter Findling am Wegrand lässt beim Betrachten seiner Aderung, Gesteinseinschlüsse und Oberflächenstruktur Rückschlüsse auf seine Herkunft und Entstehung zu. Auf der nächsten Station am Chiemseeufer identifizieren die Radwanderer anhand einfacher Versuche - "Ritzt der Stein den Hammer ? Braust die Säure auf dem Stein?" - die gängigen Kalk-, Silikat- oder Kalkdolomitgesteine. Das Rätsel der am Ostufer nicht seltenen geheimnisvollen "Furchensteine" scheint wissenschaftlich noch nicht gelöst, deutet aber in Richtung gesteinsauflösendes Kleingetier - bisherige Vermutungen von der "Steinlaus" scheinen damit nicht mehr weit hergeholt. Von der Entstehung des Chieminger Steilufers bis zu älteren und jüngeren Moränenringen rund um den See - auf der landschaftlich reizvollen Route mit dem Endpunkt Manholding bietet die Tour eine Fülle von Informationen; faszinierend ist, wie verständlich diese begreifbar und fassbar gemacht werden. "Eiszeit und Brotzeit" - wie schon der Titel sagt, schließt die Tour mit einer gehobenen regionalen Brotzeit im Landhaus Jahncke - hier können sich die Teilnehmer sogar beim Käsen betätigen und lernen, wie ein wertvolles Lebensmittel selbst hergestellt wird. Der Abwasser- und Umweltverband hat für die Entwicklung der geologischen Radführung einen Beitrag geleistet, weil sie das Naturprogramm, das über die Chiemseeagenda, durch engagierte Bürger und Ämter, seit 2001 entwickelt wird, hervorragend ergänzt. Die Naturführungen als wichtiger Baustein werden von 15 aktiven gut ausgebildeten Naturführern in Zusammenarbeit mit mehreren Tourismusämtern angeboten, die bekannteste Führung ist die Deltabootsfahrt ins Achental. Nähere Informationen zu der geologischen Tour gibt es am Tourismusamt Chieming oder unter www.chiemseeagenda.de, Rubrik Gewässerentwicklungsplan/ Natur aktiv.