Natur und Tourismus

Politik auf der Seite der Natur

Quelle: Chiemgau-Zeitung / 24.02.2011

Der Abwasser- und Umweltverband (AZV) Chiemsee steht einer Öffnung des Achendeltas sehr skeptisch gegenüber. Die Vorschläge des Vogelkundlers Dr. Michael Lohmann wurden in der jüngsten Verbandsversammlung in Stiedering kontrovers diskutiert. Eine Trägerschaft des AZV für Bau und Unterhalt eines "Tunnelstegs" schlossen die Verbandsräte aus.
Chiemsee - Seit 15 Jahren steht das "einzige in großen Teilen unberührte Binnendelta in Mitteleuropa" unter Naturschutz. So umschrieb Hannes Krauss die eingezäunte Landschaft am Mündungsgebiet der Tiroler Ache. Der "Gebietsbetreuer Chiemsee", der sich im Auftrag der Landratsämter Traunstein und Rosenheim mit Fragen rund um das Bayerische Meer auseinandersetzt und stets den Dialog sucht, bemühte sich in der AZV-Versammlung, Lohmanns Konzept "so neutral wie möglich und einigermaßen sachlich" vorzustellen.
Der Überseer Biologe war mit seinen Ideen im Herbst vergangenen Jahres gleich auf viele heftige Widerstände und Ablehnung gestoßen. Lohmann hatte vorgeschlagen, einen überdachten ("Tunnel-") Steg zu bauen und Besucher auf ihm durch das Delta zu führen. Im Gegenzug sollte die so genannte Kernzone des Naturschutzgebiets (NSG) erweitert und bisherige Nutzungen weitgehend eingeschränkt werden. Das hatte Betroffene, nämlich Berufsfischer, Jäger, Land- und Forstwirte auf den Plan gerufen. Sie sind strikt gegen solche Ideen.
Krauss verwies darauf, dass Lohmann als anerkannter Vogelkundler, der nicht in der Sitzung anwesend war, einen Rückgang der Brutvogelarten von 53 auf 44 sowie 28 "verschollene" Vogelarten beklagt hatte. Die Bilanz nach 15 Jahren Schutzgebiet sei offenbar für Lohmann nicht so ausgefallen wie gewünscht, und die Gründe habe er für sich in den verschiedenen Nutzungen ausgemacht.
Während Krauss selbst in Lohmanns Konzept "durchaus überlegenswerte Ansätze von einem der besten Gebietskenner" ausmachte, erteilten die meisten AZV-Verbandsräte den Gedankenspielen des Ornithologen eine klare Absage. "Eine Neuregelung ist gefährlich, weil man nicht weiß, ob man es besser macht - und so schlecht kann es nicht gewesen sein", verteidigte beispielsweise Gstadts Bürgermeister Bernhard Hainz den Status quo.
Sein Überseer Amtskollege Marc Nitschke brachte neue Aspekte in die Diskussion ein. Zum einen sei die Kiesentnahme im Delta wichtig für den Hochwasserschutz, um Rückstaueffekte zu vermeiden, zum anderen sah er bei einer Erweiterung der Kernzone, wie sie Lohmann zur Diskussion stellte, die "mühsam erkämpfte Stanzenbekämpfung" in Gefahr. Erstmals durfte 2010 auch im Naturschutzgebiet außerhalb der Kernzone im Überseer und Grabenstätter Bereich gegen die Stechmücken vorgegangen werden.
Die Hochwasserproblematik bei einem Stopp der Kiesentnahme war auch für Grabenstätts Bürgermeister Georg Schützinger neben der Bedeutung des Deltas für die Landwirtschaft gerade in seiner Gemeinde ein entscheidender Aspekt, sich gegen Lohmanns Vorschläge auszusprechen.
Für Heinrich Wallner aus Chieming waren Lohmanns Vorschläge - eine Öffnung für Besucher bei gleichzeitiger Einschränkung der angestammten Nutzungen - schlichtweg unvereinbar. "Das passt nicht zusammen."
Ganz pragmatisch sah es Dr. Fritz Hornschuch. "Das Delta ist zu klein und mit zu vielen Rechten belastet", sah er Lohmanns Visionen als illusorisch an. Gleichwohl "schlagen zwei Herzen" in seiner Brust. Würde der Freistaat vielleicht in zehn Jahren, wenn es im Deltabereich keine Berufsfischerei mehr gäbe, einen "Tunnelsteg" bauen und auch für den Unterhalt aufkommen, "bringt das das Delta nicht um", war sich Hornschuch sicher. Ein solch überdachter Weg, auf dem sich Besucher bewegen könnten, ohne die Tierwelt zu stören, war auch für Franz Gnadl aus Übersee der einzige Punkt aus Lohmanns Liste, mit dem er sich anfreunden konnte, "aber nicht unter dem Dach des AZV", erteilte er einer wie auch immer gearteten Beteiligung des Verbands eine klare Absage.
Der Schutz des Deltas und dessen "Unberührbarkeit" fanden sich als Prioritäten des AZV denn auch im abschließenden einstimmigen Beschluss wieder, dessen Inhalt AZV-Vorsitzender Josef Mayer, Priens Bürgermeister Jürgen Seifert und sein Amtskollege Georg Huber von der Inselgemeinde Chiemsee vorgeschlagen hatten. db

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