Natur und Tourismus

Zehn Gemeinden Hand in Hand

Quelle: Trostberger Tagblatt, Hans Eder / 05.06.2010

Rimsting (he). Enge Kooperation von zehn Gemeinden Hand in Hand mit offener Bürgerbeteiligung in Form von Agenda-21-Gruppen - und das Ziel ist eine nachhaltige Regionalentwicklung: Mit diesem „Rezept" arbeitet seit nunmehr zehn Jahren der Abwasser- und Umweltverband Chiemsee (AZV), der damit eine beispielhafte Erfolgsgeschichte geschrieben hat.
Was in diesen zehn Jahren um den Chiemsee herum in den Bereichen Wirtschaft/Tourismus, Verkehr und Energie erreicht wurde, ist im wahrsten Sinn des Wortes zukunftsweisend. Stichworte sind Chiemsee-Rundweg, Chiemsee-Ringlinie, Beobachtungsstationen, Bürgerbus, Naturführungen, „Flexi-Plus-Ticket" oder Fifty-fifty-Projekt. Am Anfang aber stand der Aufbau der Chiemsee-Agenda als Ideenbörse.

Lokale Agenda-Gruppen in den verschiedenen Gemeinden und übergreifende Arbeitsgruppen wurden initiiert, unterstützt und gefördert. Vielfältige Ideen ließen nicht lange auf sich warten: Bau von GemeinschaftsPhotovoltaikanlagen, Direktvermarktung, Nahverkehrsmodelle, Schulprojekte, die Verbreitung der Regionalwährung Chiemgauer.

Begleiteffekt all dieser Aktionen ist, wie Verbandsvorsitzender Josef Mayer, der Bürgermeister von Rimsting, betont: „Der Abwasser- und Umweltverband sorgt nicht nur für nachhaltige Entwicklung, sondern wir halten bei uns auch gut ausgebildete Leute und sorgen dafür, dass sie Arbeit haben": ob bei den Baumaßnahmen des acht Millionen Euro teuren Rundwegs, ob für die Zimmerer bei den Beobachtungstürmen, ob mit Unterstützung der Direktvermarkter, der Solarhandwerker oder des touristischen Angebots: „Wir können nur kleine Schritte machen, aber mit diesen kleinen Schritten sorgen wir auch für Arbeit für unser Handwerk und Gewerbe in der Region", sagt der Vorsitzende.

Das beste Beispiel für Wirtschaftsförderung durch den AZV ist aktuell der ChiemseeRundweg. Ziel ist es, ein Routenkonzept zu erstellen mit ergänzenden Abschnitten einerseits für Spaziergänger, ältere Menschen und Familien mit Kindern, andererseits für die sportlichen Radfahrer. Die Maßnahme liest sich allein schon von den Zahlen her eindrucksvoll: 43 einzelne Bauabschnitte - von der Unterführung bis hin zum einfachen Herrichten bestehender Wege - sollen bis 2014 verwirklicht werden. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 8,7 Millionen Euro, fünf Millionen hat der Freistaat als Zuschuss in Aussicht gestellt.

Wenn dies auch die mit Abstand ehrgeizigste und kostenintensivste Maßnahme ist, für die die Satzung des AZV erweitert wurde, so ist für die Umweltbeauftragte Berger-Stöckl der Bau der sechs Beobachtungsstationen rund um den See mit dem dazugehörigen Informations- und Unterrichtsprogramm „eine der schönsten Sachen, die unsere Verbandsgemeinden zusammengebracht haben. Das war eine Sternstunde", schwärmt Berger-Stöckl noch heute davon. „Alle zehn Gemeinden haben zugestimmt, dass sie entweder selber etwas machen oder sich an der gemeinsamen Finanzierung beteiligen."

Mit in dieses Konzept gehören auch die regelmäßigen Vogelführungen, über 100 Termine pro Jahr mit einem Stab an Führern, die mit Unterstützungaller Tourist-Infos der Gemeinden rund um den See die monatlichen Führungen anbieten. Zur wichtigen Säule in der Umweltbildung für Schulklassen haben sich auch die ChiemseeNaturführungen entwickelt, die inzwischen vom Verein der Natur- und Landschaftsführer Chiemgau-Inn-Salzach organisiert werden.

Ein wichtiges Signal für einen Ausbau der regionalen Strukturen im öffentlichen Personennahverkehr ist der Ringbus, der jetzt bereits im vierten Jahr in den Sommermonaten fünf Mal täglich den Chiemsee umrundet. 2007 startete diese Linie, die jahrelang im AK Verkehr angeregt worden war und in die der frühere Tourismusverband Chiemsee aktiv als Betreiber einstieg. Die Mitfahrerzahlen sind erfreulich angestiegen: von 4500 im ersten Jahr über 8500 im zweiten bis hin zu 12 800 im letzten Jahr.

In dieses umweltfreundliche Nahverkehrskonzept gehört auch der Bürgerbus, der mit derzeit 27 ehrenamtlichen Fahrern betrieben wird. Diese Idee war das erste Projekt des Chiemsee-Agenda-Arbeitskreises Verkehr. Ergänzt werden diese Projekte durch die Mitfahrzentrale der Landkreise Traunstein und Rosenheim und mit dem Flexi-Plus-Ticket der RVO: Damit können Schüler mit Schülermonatskarte für zehn Euro im Monat im ganzen RVOGebiet beliebig oft mit dem Bus fahren, auch im August.

Diese Liste an Maßnahmen stellt eine eindrucksvolle ZehnJahres-Bilanz dar. Den Anstoß dazu gab vor gut zehn Jahren der damalige Priener Bürgermeister und AZV-Vorsitzende, der inzwischen verstorbene Lorenz Kollmannsberger. Er wollte nachhaltige Ansätze, wie sie etwa von der Chiemseekonferenz oder dem Gewässerpflegeplan ausgegangen sind, zusammenfassen und gleichzeitig der damals sehr aktuellen und aktiven Agenda-21-Bewegung Möglichkeit zur Mitwirkung bieten.

Mit dem Wunsch um ein Konzept für eine solche Entwicklung wandte sich Kollmannsberger an das in Prien ansässige Logistik-Kompetenzzentrum beziehungsweise die Außenstelle des Fraunhofer-Instituts als einem Teil davon. Dieses Konzept wurde erstellt, und im Jahr 2000 war es dann so weit, dass aus dem Abwasserzweckverband, der nur für den Chiemseeringkanal zuständig war, der Abwasser- und Umweltverband wurde.

Die Gründung und Begleitung regionaler Agenda-21-Arbeitskreise war eine der Hauptaufgaben der Anfangszeit. Gleichzeitig wurden auch die 17 AgendaGruppen in den Mitgliedsgemeinden unterstützt. Auch wenn es um die Agendagruppen ruhiger geworden ist, betonen Verbandsvorsitzender Josef Mayer und die Umweltbeauftragte Berger-Stöckl einmütig: „Wir brauchen noch viele gute Ideen, auch von außen. Die Bürgerbeteiligung ist für uns sehr wichtig. Der AZV ist eine regionale Organisation, zu der man kommen kann, wenn man gute Ideen hat, die über das Gemeindegebiet hinausgehen könnten. Und die Themen Umwelt- und Klimaschutz gewinnen für die Region noch immer mehr an Bedeutung", wird die Zielrichtung für die Zukunft vorgegeben.

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