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Weg frei für Bti-Einsätze (OVB 07.07.10)

/ 07.07.2010
Künftig dürfen am Chiemsee zweimal jährlich Mücken bekämpft und das Mittel Bti auch im Naturschutzgebiet des Deltas der Tiroler Ache außerhalb der Kernzone eingesetzt werden. Das bayerische Umweltministerium hat dem Antrag des Abwasser- und Umweltverbandes (AVZ) Chiemsee gestern stattgegeben
Chiemsee/München - Die Nachricht, auf die nicht nur Touristiker und Politiker am Chiemsee warteten, erreichte die Redaktion gestern am frühen Nachmittag. Da war der positive Bescheid des Umweltministeriums gerade bei der Regierung von Oberbayern eingegangen, meldete deren Pressesprecher Heinrich Schuster.
Die Regierung hatte den Antrag des AZV an das Ministerium weiterverwiesen. Der Umweltbeirat der Regierung, ein Gremium, in dem unter anderem auch Naturschutzverbände sitzen, hatte den Antrag zuvor bei Stimmengleichheit abgelehnt, bestätigte Schuster. Das Umweltministerium habe ihm gestern Mittag trotzdem stattgegeben.
AZV-Vorsitzender Josef Mayer war "sehr froh", als er die Neuigkeit von der Redaktion erfuhr, "weil wir jetzt endlich Fakten haben, mit denen wir weiterarbeiten können". Wie mehrfach berichtet, hatte der AZV nach der extremen Mückenplage 2009, vor allem im südöstlichen Bereich des Bayerischen Meeres, beantragt, künftig bei Bedarf zweimal im Jahr (bisher ist nur ein Einsatz jährlich erlaubt) und auch in Bereichen des Naturschutzgebiets am Delta der Tiroler Ache außerhalb der sogenannten Kernzone Bti (Baciullus thurigiensis israelenis) einsetzen zu dürfen. Bti tötet die Larven der Stechmücken innerhalb von Stunden ab.
AZV-Chef Mayer weiß allerdings auch, dass mit dem positiven Bescheid noch nicht alle Hürden für mehr und umfangreichere Bekämpfungsaktionen in der Zukunft genommen sind. Denn die Mitgliedsgemeinden des Verbands müssen nun über die Bereitstellung der Mittel und die Aufteilung der Kosten untereinander beraten und entscheiden. Der bisher größte Bti-Einsatz am Chiemsee vor einigen Wochen hatte rund 160.000 Euro gekostet.
Am 8. Juni hatte die Regierung praktisch in letzter Minute Eilanträgen der Gemeinden Übersee und Grabenstätt stattgegeben, Bti erstmals überhaupt auf deren Areal rund um die Kernzone des Naturschutzgebiets einsetzen zu dürfen. Das Mittel wurde an diesem und dem Folgetag dann auf fast 600 Hektar Fläche in Eisgranulat verpackt vom Hubschrauber aus versprüht. Darunter waren 250 Hektar, die dank der Sondergenehmigung erstmals angeflogen werden durften (wir berichteten).
Für die Sondergenehmigung hatte sich damals der Traunsteiner Landtagsabgeordnete Klaus Steiner bei Umweltminister Markus Söder stark gemacht. Nur durch die Zustimmung des Ministeriums sei es "möglich gewesen, die Situation am Chiemsee halbwegs in den Griff zu bekommen", so der CSU-Abgeordnete. "Wir wollen den Naturschutz nicht aushebeln, aber wir brauchen auch den Schutz für die Menschen", stellte sich Steiner voll hinter den AZV-Antrag.
Das Chiemseehochwasser hatte Anfang Juni großflächig Schilfgebiete und Wiesen in Ufernähe überschwemmt. Dann war es schnell sehr warm geworden - der ideale Nährboden für die explosionsartige Vermehrung der Stechmücken. Biologen der Bekämpfungsfirma vom Niederrhein hatten seinerzeit die Zahl der Stechmückenlarven in den Überschwemmungsgebieten grob auf 50 Milliarden hochgerechnet. Fünf Tage brauchen sie nur, um sich in fertige Mücken zu verwandeln. Nach Angaben der Biologen waren Anfang Juni wohl 95 Prozent der Larven abgetötet worden.
In der Konsequenz gibt es zwar vor allem in der Nähe des Achendeltas auch heuer noch viele Stechmücken, aber offenbar bei Weitem nicht so viele wie im Sommer 2009, als besonders die zerstochenen Menschen in Grabenstätt und Übersee auf die Barrikaden gegangen waren.
Dass der erstmalige Bti-Einsatz rund um die Kernzone des Naturschutzgebietes Wirkung erzielt hat, bestätigten dieser Tage auch Politiker, Touristiker und Gastronomen auf Anfrage der Chiemgau-Zeitung.
Grabenstätts Bürgermeister Georg Schützinger ist überzeugt, dass die Lage ohne die Bti-Aktion auch heuer "unerträglich" geworden wäre. In der örtlichen Tourist-Info sind zuletzt nur vereinzelt Klagen eingegangen. Auch Campingplatzbetreiber Herbert Lintz aus Unterhochstätt bestätigt, dass die Situation bei Weitem nicht so schlimm sei wie im vergangenen Jahr.
Ähnlich wird die Lage im Nachbarort Übersee gesehen. Laut Pächter Andreas König gibt es im Strandbad unmittelbar am Seeufer gar keine Mücken.
Am Wald und in Richtung Naturschutzgebiet werde es aber "heftig". Von drei befragten Überseer Gastronomen gaben zwei Entwarnung, einer klagte dafür über große Schwärme.
Tourist-Info-Leiter Georg Schobersteiner meldet: "Seit einer Woche alles ruhig an der Mückenfront." Bürgermeister Marc Nitschke sprach gestern Nachmittag von einer "ganz wichtigen Entscheidung für die Zukunft" und verwies auf das positive Ergebnis der Aktion im Juni.
Wenn sich die AZV-Gemeinden über die finanziellen Modalitäten einig werden, sind die Einsätze im gleichen Umfang bei Bedarf künftig zweimal pro Sommer möglich.

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